19. internationales Straßentheaterfestival bei Spitzentemperaturen

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48.000 Besucher zählte die Stadt auf dem Straßentheaterfestival am vergangenen Wochenende. Die Temperaturen zwischen 32 und 35 Grad Celsius seien eine besondere Herausforderung sowohl für Künstler auch als das Publikum gewesen, teilte Kulturbüroleiter Fabian Burstein mit. Sein Organisationsteam habe sich bemüht, die besondere Situation erträglicher zu machen, indem es auf den Platzplänen die Schattenplätze auswählten. Kurzfristig ließen sich die Sitzbänke dorthin verlegen, nachdem das Festival schon begonnen hatte. „Für jede Ausnahmesituation wie in unserem Fall die Sommerhitze gibt es amtliche Sicherheitsvorschriften“, sagte Burstein: „Unser Sicherheitskonzept hat sich bewährt. Es gab nur wenige Sanitäreinsätze und keine nennenswerte Vorfälle außer einem Unfall am ersten Tag. Eine Künstlerin ist gestürzt und verletzte sich das Handgelenk.“
Burstein hörte von Seiten der Künstler immer wieder, dass sie vor allem das konzentrierte Ludwigshafener Publikum schätzten, dass sich auf sie einließe. Ihre Performances stünden hier im Mittelpunkt, kein Stadtfest liefere das Rahmenprogramm für ihren Auftritt.
Am meisten Publikumsverkehr gab es bei der Veranstaltung Sandträume. Auch das Zirkuspaket vor dem Kulturzentrum mit Roest und Hendrik & Co war gut besucht. 2500 Menschen besuchten den Festivalauftakt mit dem preisgekrönten Tanztheaterstück „Package“ des japanischen Cheoreographen Shusaku Takeuchi. In Koproduktion mit dem antagon theaterAKTion ließ sich das Stück neuinszenieren. Es spielt in der Welt erfolgsorientierter Yuppies, die sich in ihren lässigen, coolen Posen als wahre Hipster ausdrücken. Denn sie lieben und feiern vor allem sich selbst, nicht nur auf ihren wilden Parties, sondern den ganzen akrobatischen Tanz hindurch. In einer Welt, in der es Gewinner und Verlierer gibt, müssen sie als Egoisten schauen, wo sie bleiben. Mit viel Bewegung und ausdrucksvoller Mimik tanzte das Ensemble die akrobatischen Tänze, in denen sie in Rivalität zueinander geraten und sich der Monotonie des Arbeitsalltags verausgaben.
Das Stück war unverkennbar finanzmarktkritisch. Takeuchis Absicht wurde in manchen Szenen besonders deutlich: Als gespenstisch große Spinne krabbelt die Bankenblase über die Bühne. Sie hat bereits die zu Kreditportfolios mitgebündelten risikobehafteten Wertpapiere aufgefressen. Als ihr schwarzer Korpus platzt, flattern die Schrott-Trangen heraus. Die toxischen Wertpapiere isst der Bankenchef auf – die Metapher gilt den Bad Banks, in die man nach der Leeman-Pleite die Trangen ausgelagerte. Mit Strumpfmasken tanzten die Banker übers Pakett, wie Bankräuber muteten sie dabei an. Auch wenn das Vertrauen in die Bankbilanzen längst zurück gekehrt ist, erinnerte die Inszenierung daran, wie wesentlich Transparenz und Glaubwürdigkeit auf dem Geldmarkt ist.
Die Performance „Peregrinus“, was lateinisch der Fremde heißt, begeistere als Exorzismus gegen die Entmenschlichung in Geschäftswelt. In „Peregrinus“ sind alle gleich maskiert: Hinter ihrer abgespannten, blassen Fassade und lackierten Attitüden verstecken sich die Großstadtmenschen. Als rationale, produktive Wesen sind sie zu Getriebenen geworden, die in ihrem dem Menschlichen entzauberten Alltag monoton eine Handlung nach der anderen ausführen. Gehetzt und mit ständigem Blick auf die Uhr tippelten sie durch die Fußgängerzone. An Lob und Tadel von Kindesbeinen an gewöhnt, wollen sie nicht nur ihren Bossen gefallen und zelebrieren den Konsum.
„In diesem Jahr hatten wir inhaltsstarkes und politisches Theater mit im Programm. Das Publikum ist verständig mitgegangen“, teilte Burstein mit.

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