Vom Luxusgut zur Massenware

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Das umstrittene Geschäft mit dem Pelz boomt wie nie zuvor

Die Passantin, die Simone Sommerfeld anspricht, sieht beschämt aus. Sommerfeld erklärt ihr, dass sie Echtpelzbesatz an der Kapuze trägt. „Das Echtfell lässt sich am Unterpelz erkennen, darunter auch an der Lederstruktur. Wäre es Kunstfell, wäre an dieser Stelle Textilstruktur zu sehen“, sagt Sommerfeld: „Wenn man ganz sicher gehen will, reißt man ein Haar aus und brennt es ab. Echttierhaar reicht so wie Haare, die in den Fön geraten. Wir raten ihnen, auch kein Kunstfell mehr zu tragen, denn nur so unterstützt man den Modezyklus nicht länger.“

Die meisten wüssten einfach nicht, dass sie Echtpelz tragen, sagt Julia Weibel. Das stellt sie immer wieder fest, wenn für das deutsche Tierschutzbüro als Pelzermittlerin unterwegs sei und Pelzträgerinnen auf der Straße aufkläre. Pelztextilherstellung findet zwar eine breite Ablehnung in der Gesellschaft, aber getragen wird der Pelz, erzählt Sommerfeld. Sie trifft bei den Passanten oft suf eine Art Ignoranz und Unwissenheit, manchmal auch auf Gleichgültigkeit. „Es gibt zwar eine EU-Kennzeichnungspflicht, nach dem bei Textil mit mehr als 20 Prozent Echtpelzanteil auf dem Etikett stehen muss: ‚Enthält nicht-textile Teile tierischen Ursprungs‘. Sie wird nicht immer eingehalten. Eine Etikettierung, aus der die Verwendung von Pelz nicht eindeutig hervorgeht. Sie könnte sich genauso gut auf die Daunenfütterung beziehen, wenn man falsch mutmaßt.“

Einer Statista-Umfrage zufolge kommt für 82 Prozent der Deutschen Pelz als Kleidungsmaterial nicht in Frage. Trotzdem finden laut Free Alliance jährlich 100 Millionen Tiere für die Pelzindustrie den Tod, Nachdem Pelztragen in den 80er und 90ern als moralisch fragwürdig galt, steigen seit Anfang 2000 die Umsätze der Echtfellindustrie wieder. Die Nachfrage in Europa, Amerika, China und Euroasien nach Pelz wächst und Produzenten reagieren mit höherer Produktion.
Pelz ist längst kein Luxusgut mehr, sagt Sommerfeld. Der Schal mit Pelzbommel, an dem sie Passanten die Unterscheidungsmerkmale von Kunstpelz zeigt, habe 9 Euro gekostet. Im Trend liegen Echtfellbesatz an Kapuzen, Pelzpüschel an Mützen und flauschige Accessoires wie Schlüsselanhänger oder Handtaschen. „Seit ein paar Jahren sind vor allem junge Leute die Zielgruppe“, sagt Weibel. Die Massennachfrage begann, als die Pelzindustrie anfing, Echtfell und Textil zu mischen und China anfing zu Pelz im großen Stil zu verarbeiten. So sind die Jacken und Winter-Accessoires zu niedrigem Preis für die breite Masse erschwinglich geworden.

Durch die wachsende Nachfrage lag der Weltmarkpreis für ein Nerzfell bei 100 Euro. Inzwischen sind die Rohfellpreise auf dem Weltmarkt durch die Massenproduktion gesunken. 2014 schwankte der Preis für Nerz in den USA bereits um 40 Euro. In Deutschland schwankt der Niedrigaufkaufpreis für Marderhundrohfell derzeit um 15 Euro. Das Geschäft ist für Famer immer noch rentabel genug, um die Produktionskosten zu decken. Die Tiere werden auf Pelzfarmen in kleinen Käfigen getrennt von Artgenossen gehalten und nach sechs bis acht Monaten getötet. „80 Prozent der Pelzproduktion findet auf Farmen statt, nur 20 Prozent durch Jagd. Die Tiere, in der Regel Nerze, Marderhunde, Katzen und Polarfüchse, langweiligen sich. Es gibt Berichte von internen Mitarbeitern, die erzählen, dass sie stundenlang in den Käfigen im Kreis laufen“, erzählt Sommerfeld: „Nerze leben eigentlich nah am Wasser und laufen bis zu zehn Kilometer am Tag. Die Haltung widerspricht natürlichen Bedürfnissen völlig. Getötet wird mit Elektroschocks, weil das Vergiften zu teuer ist. Auch Abgase werden eingesetzt. Die Elektroschocks oder das Erschlagen führen nicht immer den Tod herbei, weshalb es öfter vorkommt, dass die Tier bei lebendigem Leib gehäutet werden.“ Die Siegel, die eine gesicherte Herkunft und eine artgerechte Haltung garantieren sollen, seien von Produzentenverbänden selbst ins Leben gerufen worden. Sie unterlägen keiner Kontrolle durch Aufsichtsbehörden.

Wie umstritten Pelz ist, zeigt auch das Verbot von Felltierzucht in sieben EU-Ländern. In weiteren vier wurde das Verbot bereits beschlossen, tritt aber erst in den nächsten Jahren in Kraft. In fünf EU-Staaten wird darüber debattiert, das Pelzfarmen zu verbieten. „Deutschlang gehört nicht dazu“, sagt Sommerfeld. Am Nachmittag passieren in einer halben Stunde rund 150 pelztragende Menschen den Marktplatz. „Es sind sehr viele, wie man erst bemerkt, wenn man mal darauf achtet“, sagt Sommerfeld.

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