EU-Agrarreform: Keine Wende im Kampf gegen Nitratbelastung

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Gesetzespaket aus Brüssel schützt die Ressource Wasser nicht

Nach monatelangen Verhandlungen haben sich EU-Parlament, Kommission und Rat Ende Juni auf die Agrarreform geeinigt. Julia Klöckner erklärt sie als „Systemwechsel“ hin zu einer umweltschonenden Landwirtschaft. Doch der Streit geht weiter. Angesichts der Nitrateinträge ins Grundwasser durch Überdüngung sprechen Kritiker von einer „verpassten Chance“, um beim Nährstoffeinsatz nachzubessern.   

EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen verkündete im Dezember 2019 den sogenannten „Green Deal“. Demnach will die EU ihre Netto-Emissionen in die Umwelt bis 2050 auf null senken. Europa soll bis dann „klimaneutral und umweltschonend produzieren“, auch in der Landwirtschaft, heißt es im EU-Klimaplan. Das Reformpaket sollte daher die Agrarwirtschaft verpflichten, auf dem Weg zur Umweltneutralität bis 2050 mehr CO2 sowie auch Schadstoff-Emissionen einzusparen.

Ein Kernziel des Green Deals ist die Düngereduktion um 20 Prozent. Denn übermäßiger Stickstoff-Dünger emittiert als Nitrat ins Grundwasser. Laut Umweltbundesamt (UBA) ist der Schadstoff potenziell krebserregend und schädigt die Umwelt. Daher schreibt die EU einen Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Grundwasser vor, den Deutschland seit Jahren in vielen Regionen überschreitet. Dem letzten Nitratbericht zufolge weisen etwa 18 Prozent der Messstellen einen Nitratgehalt oberhalb des Grenzwerts aus. Maßnahmen, um den Düngereinsatz auf Deutschlands Äckern zu reduzieren, konnten sich in den Verhandlungen jedoch nicht durchsetzen, sagen Experten wie Maximilian Hofmeier vom UBA.

Umstrittene Agrarreform kommt

Deutschland muss nach der Wahl bis zum Jahresende seinen nationalen Plan für die Umsetzung der Reform bei der EU-Kommission einreichen. Mit den EU-Agrarbeschlüssen steht bereits fest, wieviel Geld aus Brüssel ab 2023 in Umweltleistungen umgeleitet werden soll.

Im EU-Fördertopf sind acht Milliarden Euro für deutsche Landwirte reserviert, die ihnen wie bisher als Flächenprämie zufließen, sogenannte Direktzahlungen. Davon erhalten sie 75 Prozent als Basisprämie, wenn sie ihre Felder nach etwas strengeren Umweltauflagen bewirtschaften als bisher. Ferner müssen grundsätzlich vier weitere Prozent Ackerfläche brach liegen. Neu ist, dass Landwirte künftig 25 Prozent der Direktzahlungen nur abrufen können, wenn sie die Mittel in Umweltleistungen, sogenannte Eco Shemes, investieren. So gibt es künftig mehr Geld für wahlweise häufige Fruchtwechsel auf den Flächen, weitere Grünbrachen oder extensivierte Wiesen durch Verzicht auf Düngung. Ein Teil der Mittel für die Direktzahlungen werden ab 2022 in einen weiteren EU-Fördertopf mit 5,4 Milliarden Euro umverteilt. Damit stehen künftig rund 40 Prozent der Mittel aus diesem Topf statt der bisher 30 Prozent für den Ökolandbau bereit, der sich damit ausbauen lässt.

Einem Gutachten des Entera-Instituts fürs Bundeslandwirtschaftsministerium zufolge sind die Reformfolgen im Hinblick auf die Wasserqualität nur gering.  Das Mehr an Grünbrachen und extensivierten Grünflächen, die man primär für den Artenschutz haben wollte, würde die Nitratbelastung kaum senken. Der Ausbau des Ökolandbaus greife hier besser. Damit gingen die Nitrateinträge ins Wasser zumindest in einzelnen Regionen zurück.

Reaktionen auf EU-Agrarbeschlüsse sind gespalten

Die Bewertungen des parteiübergreifenden Reform-Kompromisses klaffen weit auseinander. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Martin Häusling sagt: „Beim Wasserschutz bleibt es beim Status Quo. Das Ziel des Green Deals zur Reduktion der Düngung um 20 Prozent wurde nicht verbindlich in der neuen GAP festgeschrieben. Um es zu erreichen, fehlen im Reformpaket die Gesetze. Jede größere Maßnahme zur Düngereduktion scheiterte im Trilog an den konservativ-liberalen Mehrheiten im Parlament und Rat.“

Zuletzt hatte die Kommission verlangt, mit konkreten Gesetzen nachzubessern. Sie forderte, dass Betriebe softwaregesteuert den Düngereinsatz auf den Feldern planen. Will heißen: Landwirte sollten per App berechnen, was die Kulturen an Nährstoff brauchen und damit auf den Flächen verbleiben darf. Dafür gelten im Düngerecht immer detaillierte Vorschriften, die für Landwirte schwer zu überblicken sind. „Die App gibt nützliche Tipps und Warnungen beim Nährstoffeinsatz auf den Feldern schließt somit das fahrlässige und vorsätzliche Überdüngen aus“, heißt es im Kommissionspapier.

„Mit der App hätte sich zudem digital erfassen lassen, was auf den Flächen verbleibt“, erklärt Martin Häusling: „Damit hätte man ein Kontrollsystem wie in Dänemark schaffen können.“ Dort sorge schon seit Jahren eine Software dafür, dass Daten über ausgebrachte Nährstoffmengen auf Betriebsebene gesammelt würden. Diese ließen sich mit dem digitalen EU-Kontrollsystem verknüpfen und auf Stimmigkeit abgleichen mit Daten über den Kauf und Verkauf von Düngemitteln.

Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hatte zuletzt im Rat gefordert, die App aus dem Gesetzesentwurf zu streichen. Auflagen für den Erhalt der Basisprämie sollten für Bauern „Planungssicherheit und Akzeptanz“ bringen. Sie forderte daher, bisherige Auflagen zu optimieren, statt neue einzuführen. Angesichts der breiten Ablehnung der App im Parlament und Rat strich Brüssel sie aus dem Reformpaket.

Die Christdemokraten zeigen sich zufrieden mit den EU-Agrarbeschlüssen. Julia Klöckner erklärte am Tag der Einigung: „Es ist gut und wichtig, dass sich die Partner auf einen Kompromiss verständigt haben.“ Dieser bedeute einen Systemwechsel, der ein Mehr an Umweltschutz mit wirtschaftlichen Perspektiven für die Landwirte verbinde. Europa dürfte durch höhere Auflagen nicht seine internationale Wettbewerbsfähigkeit auf dem Lebensmittelmarkt verlieren. „Gerade die im Green Deal anvisierte Düngereduktion würde die Erträge mindern und die Lebensmittelpreise stark anheben. In der Folge würde Europa aus Drittstaaten importieren“, sagt Lukas Berami, agrarpolitischer Berater fürs Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg.

Auch die Europäischen Liberalen hatten gefordert, die Produktivität des Agrarsektors zu erhalten. Dies müsse vereinbar gemacht werden mit den Zielen des Green Deals, sagt Ulrike Müller, agrarpolitische Sprecherin der Liberalen: „Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf dem Weg dorthin ein deutliches Stück weitergekommen.“

Der Deutsche Bauernverband wehrt sich seit Jahren gegen die übertrieben empfundenen Umweltauflagen. Auf Anfrage erklärt er: „Die neuen Agrargesetze sind deutlich umweltorientierter, was schmerzhafte Einkommensverluste und mehr Bürokratie für Bauern bedeutet.“

Den Sozialdemokraten geht der Kompromiss hingegen nicht weit genug. Die SPD-Agrarexpertin Maria Noichl stellt fest: „Wir hätten uns eine nachhaltigere Reform der GAP gewünscht, mit der wir auch unser Wasser und die Böden besser hätten schützen können.“

Besonders die Wasserversorger kritisieren die Beschlüsse scharf. Sie müssen das Nitrat in teuren Verfahren aus dem Trinkwasser filtern. Wolfgang Deinlein, Geschäftsführer der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet, äußerte Ende Juni gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Das ist eine Politik der Realitätsverweigerung, die sich den aktuellen Problemen nicht stellt. Der Bundesverband der Wasserwirtschaft fordert, den Ökolandbau im nationalen Plan zur Umsetzung der GAP durch Bundesmittel noch weiter auszubauen.

Kontrollen der Düngevorschriften sind wenig verursachergerecht

Die Kommission hatte bereits 2018 in ersten Debatten um die neue GAP auf ein strengeres Düngerecht in der EU gedrängt, das Rat und Parlament ablehnten. Demnach sollten die Mitgliedsstaaten durch striktere Regeln den Nährstoffeinsatz auf den Feldern weiter begrenzen.

Hintergrund ist ein jahrelanger Streit zwischen der Kommission und einigen EU-Ländern wie etwa Belgien, Holland, Dänemark, Spanien und Deutschland. Brüssel kritisierte das nationale Düngerecht dieser Länder immer wieder als zu lasch, um die vorgeschriebenen EU-Nitratgrenzwerte im Grundwasser einzuhalten. Auf Druck der Kommission musste auch Deutschland im Mai 2020 mit einem strengeren Gesetz nachlegen.

„Mit der neuen Düngeverordnung werden die Nitrateinträge ins Grundwasser stark sinken“, sagt Maximilian Zinnbauer vom TI. Das Gesetz selbst sei nicht unzureichend, um EU-Vorgaben einzuhalten. Ob es aber wie bislang an der Umsetzung durch Landwirte hapert, muss sich zeigen.

„Die Düngemengen sind in Deutschland sehr hoch. Sie liegen über dem Bedarf“, also dem, was düngerechtlich erlaubt ist, stellt Michael Rode fest, Experte für Schadstoff-Bodeneinträge am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Vor allem Regionen, die durch intensive Tierhaltung geprägt sind, haben mit Gülle-Überschüssen auf den Feldern zu kämpfen. „Tierbetriebe müssen die hohen Güllemengen verbringen, die anfallen“, erklärt Rode: „Vereinzelt sind auch Ackerbaubetriebe Verursacher, die mit mehr Düngung versuchen, ihre Erträge zu steigern.“

Düngerechtsexperten wie Hofmeier glauben, dass das derzeitige Kontrollsystem noch verursachergerechter werden muss. Mit der 2018 eingeführten Hoftorbilanz würde bislang nicht vollständig transparent, ob einzelne Betriebe nach Vorschrift düngen. Seither müssen Landwirte Buch führen, wie viel Nährstoffe durch Kauf etwa von Dünger oder Tieren auf den Hof kommen und was davon den Hof mit verkauften Produkten und Dünger wieder verlässt. Bleibt Nährstoff beim Landwirt, so die Annahme, muss er als Überschuss in die Umwelt gelangen.

Solche Überschüsse liefern Kontrollämtern jedoch nur grobe Anhaltspunkte dafür, dass ein Landwirt Nährstoffe auf seinen Flächen nicht nach Vorschrift einsetzt. Die konkreten Mängel dabei können bislang nur Vor-Ort-Kontrollen aufdecken. „Die Hoftorbilanz erfasst nicht vollständig, was im Betrieb mit Nährstoffen passiert“, kritisiert Hofmeier: „Für ausgeweitete Vor-Ort-Kontrollen fehlen in den zuständigen Ämtern aber die Kapazitäten.“ Zwar müssten Landwirte nach Düngerecht zudem verpflichtend aufzeichnen, wie viel sie auf ihren Flächen aufgebracht haben. Doch ihr tatsächliches Handeln würde auch damit nur bedingt transparent.

Experten sind sich einig: Die App zur Nährstoffplanung hätte hingegen mehr Kontrolle geschaffen, was Landwirte ausbringen. „Die Reform ist eine verpasste Chance, die die Umweltbaustelle Nitrat anzugehen“, sagt etwa  der Agrarökonom Sebastian Lakner.

Das Reformpaket muss im November noch durchs EU-Parlament, was reine Formsache ist. Damit ist die EU-Agrarförderung auf sieben Jahre hin festgelegt. Friedericke Balzer, GAP-Expertin am UBA, sagt: „Erst mit der nächsten Reform 2028 hat man wieder die Chance, Landwirte stärker für Umweltleistungen zu subventionieren.“ Unter anderem für weniger Düngung, die nicht nur für Nitrat-Emissionen, sondern auch für einen Großteil der langwirtschaftlichen Treibhausgase verantwortlich ist.

Das neue EU-Agrarpaket wird die Nitrateinträge ins Wasser bis 2050 im Trend nicht weiter Richtung netto null senken. Nur nationale Gesetze können die Landwirtschaft in den nächsten Jahren auf Kurs bringen. Dementsprechend fließen Bundesmittel in den Ausbau von Biogasanlagen zur Verwertung von Gülle sowie in sparsame, digitale Ausbringungstechnik auf dem Acker. Zumal laut EU im Kampf gegen Nitratbelastung in den letzten Jahren nur minimale Fortschritte erzielt wurden.

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