Lug und Trug der Netzinkognitos

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Die dreisten Tricks von Fakeshop-Betreibern

Der Onlinehandel boomt durch Corona und Fakeshops nehmen zu. Die Maschen werden gewiefter. Eriks A. war Finanzagent für eine Betrugsbande. Als einziger mit Namen den Konten hinterlegt, sollte er alleine für die Taten geradestehen.

Eriks A. blickt die Richterin nur selten an, wenn er ihre Fragen beantwortet. Seine Stimme klingt beklommen, als er von seinem Auftrag erzählt: „Ein Bekannter rief mich an. Er sagte, dass es in Deutschland eine einfache Möglichkeit gäbe, viel Geld zu machen“. Der Kopf der Bande holte den 25jährigen im Juni 2018 vom Flughafen im lettischen Riga ab und mietete für ihn eine Wohnung in Maxdorf.

„Herr A. war nur dazu da, Konten auf seinen Namen zu eröffnen“, sagt die Ermittlerin vor dem Landgericht Mannheim aus. Auf diese gingen Zahlungen für Ware ein, die nie verschickt wurde. Das rief bald die Polizei auf den Plan, denn Eriks A. Name war den Konten hinterlegt. Der Rest der Bande sollte davonkommen. Aussage gegen Aussage – so war der Plan, sollte Herr A. reden. Es kam anders: Die Mitglieder des Netzwerks sitzen seit September 2019 in Haft. Die Strafsache gegen Eriks A., den die Richterin ein „kleines Licht“ nennt, wird Ende Februar am Landgericht gesondert verhandelt.

Fakeshops nutzen den boomenden Onlinehandel aus. Bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gingen 2020 fünf mal so viele Beschwerden ein wie 2019. In den ersten beiden Monaten 2021 bereits so viele wie 2020 bis Ende April. Nach Schätzung des Marktwächters Digitale Welt waren bis 2018 vier Millionen Deutsche schon mindestens ein Mal betroffen. Betrugsfälle mit Finanzmanagern wie Eriks A. machen davon nur einen geringen Bruchteil aus, aber auch sie nehmen laut dem Landeskriminalamt (LKA) Mainz leicht zu. Anders als Herr A. wissen die Finanzagenten jedoch nur selten, dass sie für betrügerische Aktivitäten benutzt werden.

Eriks A. war eingeweiht. Trotzdem machte der Bandenchef ihn zur Gallionsfigur seiner Online-Piraterie. Er versprach ihm hundert Euro am Tag und zahlte ihm nur ein Mal fünfhundert Euro aus. Eriks A. flog nach anderthalb Monaten zurück – die Ermittlungen gegen ihn liefen an. Zweieinhalb Jahre später wird er wegen Beihilfe zum Betrug zu einem Jahr und acht Monaten verurteilt.

„Die betrügerischen Netzwerke werben Finanzmanager über Online-Ausschreibungen und in Social Media an“, erklärt Oliver Buttler, Experte für Digitales bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Diese wickeln für die Betrüger Zahlungen über ihr Konto ab und leiten das Geld gegen Provision weiter – oder sie richten auf deren Vorschlag einen Zugang für sie bei ihrer Bank ein. So können die Betrüger das ergaunerte Geld abschöpfen. Damit betreiben die Finanzagenten Geldwäsche, ohne es zu wissen.“ Gleichzeitig verschaffen sie den Betrügern Anonymität, indem sie ein Konto zur Verfügung stellen. Die Gauner kommunizieren nur per Mail unter falschen Namen. Häufig geben sie sich zur Tarnung mit Namen echter Firmen aus.

Ein Cyberspace-Experte des LKA Stuttgart erklärt: „Fakeshop-Betreiber brauchen eine gewisse Logistik: Bankverbindung, Server, Mailadressen. Zwar nutzen sie in der Regel Anonymisierungen technischer Art als auch gefälschte Ausweise im Video-Ident-Verfahren von Onlinebanken. Sie hinterlassen dennoch Spuren ganz unterschiedlicher Art, die wir auswerten und zusammenführen, um die Schnittstelle in die reale Welt zu finden. Denn auch wenn solche Taten im Cyberspace begangen werden, wollen die Täter ihre erschwindelten Gewinne in der realen Welt ausgeben.“ Aus ermittlungstaktischen Gründen darf er nicht mehr sagen und will anonym bleiben.

Eine Finanzermittlung lief auch gegen Eriks A. an, wegen Geldwäscheverdachts, denn sein baldiger Rückflug war geplant. Ein Verdacht, der sich neben der Betrugsbeihilfe nicht bestätigte. Beim Zoll muss für eine Finanzermittlung kein konkretes Delikt vorliegen. Es reicht, wenn Transaktionen verdächtig vorkommen. Die internationale Vernetzung der Banden macht die Arbeit nicht leichter. Rechtshilfegesuche werden im Nicht-EU-Land unter einer Schadenssumme von 5000 Euro abgelehnt.

Fakeshops nutzen Konsumtrends wie den Modehandel. Für Dirndlhändler ist seit Oktober ein Alptraum wahr geworden. Tom Schmidt, der anonym bleiben will und für ein Trachtenlabel arbeitet, erzählt: „Es ist eine ganze Serie von Fakeshops mit Trachtenmode entstanden, die bisher nicht verschwunden ist. Meistens werden nur Teile der Verkaufsplattformen, die unser Label vertreiben, kopiert – das Impressum mit Firmendaten, Bilder und Texte oder einzelne Webseiten. Eine eins-zu-eins Kopie gab auch schon.“ Betrüger variieren die Namen der echten Onlineläden nur leicht, fügen ein Zeichen ein oder lassen eins weg, um vom Google-Ranking zu profitieren.

Statt eines Designerdirndls kommt ein Plastikduschvorhang, eine billige Produktfälschung oder nichts, sagt Schmitt. Er recherchiert gezielt nach Fakeshops im Netz, sagt den Vertriebspartnern Bescheid, den Werbepartnern und Hostern. Google und die sozialen Netzwerke stellen die Werbe-Ads der Gauner meistens ein. Manche Hoster schließen die Shops, bevor tags darauf ein neuer aufmacht. Eine Sisyphusarbeit.

Die Polizei bewältigt das Problem trotz Fahndungserfolgen nicht. Der Bundesrat schlug 2018 die bindende Identitätsprüfung durch Domainvergeber Denic bei der Registrierung von Webadressen vor. „Denic lässt sich dazu nicht verpflichten. Er betreibt ein Geschäftsmodell“, sagt Buttler: „Die Verbraucherzentrale fordert die Abschaffung der Vorkasse.“ Bisher stehen keine Gesetze auf der politischen Agenda, die es Betrügern weniger leicht machen. Die Regierung setzt auf Aufklärungsarbeit durch LKA und Verbraucherschutz. Die Tipps:

Gütesiegel müssen klickbar sein und zur Zertifikatsseite weiterleiten

Nutzungsbedingungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen weisen auf ausländische Firmen hin

Vorsicht bei Schleuderpreisen

Fakeshops bieten häufig nur Vorkasse an

Aufs Impressum achten – nur komplett mit Adresse (kein Postfach), Name, Registernummer und Kontaktmöglichkeit

Meinungsbild auf Vergleichs- und Bewertungsportalen einholen

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