Blick hinter die Fassade scheindemokratischer Musterschüler

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Gerd Hankel arbeitet als Völkerrechtler und Kulturforscher. Sein mutiges Debattenbuch „Das Dilemma – Entwicklungshilfe in Afrika. Ein Erfahrungsbericht“ dokumentiert die Gründe, warum Entwicklungshilfe scheitert, sogar schadet oder gelingt. Als Jurist beriet er die sogenannten Gacaca-Gerichte, vor denen die Völkermordprozesse in Ruanda ausgetragen wurden – eine besondere Form des Gerichts, das neben Strafurteilen auch auf Urteile setzte, die zur Aussöhnung verpflichteten. Die Kultur des Redens als Modell der Konfliktlösung ist in Afrika viel mehr zuhause als bei uns. Hankel forscht bis heute über die Gacaca-Justiz und sprach auf seinen Reisen mit unzähligen Experten und Oppositionsführern.

Nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ gründete eine Hilfsorganisation für einen Partnerverein vor Ort. Über Jahre zweigte dieser Hilfsgelder im großen Stil ab. Der Versuch, das Geld zurück zu bekommen, scheiterte an einem korrupten Staatsanwalt, der das Verfahren mitsamt seinem Zeugen verschwinden ließ. Dieser saß in Haft und Hankel kaufte ihn frei. 1000 Dollar wollte ein bestechlicher Richter für den Freispruch mit Beweiswürdigung. Aus jedem Scheitern sind Lehren zu ziehen. Entscheider handeln gemeinwohlorientiert, wenn Idealismus Existenzangst Platz macht: Der Übergang von humanitärer Hilfe zur Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit kann also nur fließend gelingen, wie sein Hilfsprojekt zeigte. Die Vorstände des Partnervereins kooperieren heute zuverlässig.

Hankels gibt enthüllende Erfahrungsberichte aus erster Hand, die sich teils wie wissenschaftliche Fallstudien lesen. Er liefert statistische Belege, stellt Thesen auf und widerlegt gängige Meinungen – so etwa das Credo von Geberstaaten, Kontrolle und Entscheidung über Investitionen den Empfängerstaaten zu überlassen. Damit gehen Milliarden an korrupte Regime, die elitäre Branchen fördern. Während der Lebensstandard und der Anteil der Armen in Ruanda nahezu gleich bleibt, weisen beschönigte Statistiken acht Prozent Wachstum aus. Hankel bezweifelt, dass nur die harte Hand einer Autokratie Sicherheit für Wachstum bringt und deckt auf, wie Investoren den Kongo um seine Rohstoffe bringen: Tauschverträge legen mit der Bezahlung in Rohstoffen fest, dass Weiterverarbeitung und Vermarktung nicht im Land bleiben.

Mit differenziertem Blick zieht Hankel Bilanz, zeigt Wirkungszusammenhänge auf, zieht neue Schlüsse und denkt Entwicklungshilfe um. Die Frage nach dem Sinn von Entwicklungsarbeit stellt er nie grundlegend, sie scheitert nicht nur an Autokratie und Weltwirtschaftsordnung. Er stellt die Frage nach dem Wie, seine Lehren haben Modellcharakter für zukünftige Hilfsprojekte. Fazit und Ausblick sind optimistisch: Denn Resultate sind sichtbar. Infrastruktur und Lebensstandard haben verbessert, die Zusammenarbeit geschieht mehr auf Augenhöhe. Hankel plädiert er für ein strengere und kontrolliertere EU-Geberpolitik, die danach ausgerichtet ist, wie gut soziale, bürgerliche Rechte und andere Menschenrechte im Land umgesetzt sind.

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