Scheuermann sieht Kriminalität durch die Brille einer Sozialarbeiterin
Dem schlechten Tarot-Blatt zufolge, das ihr Freundin Birgit gelegt hat, soll der Tod in naher Zukunft in Tanja Eppsteins Leben einbrechen. Wenn es auch nicht ihr eigener Tod sein wird, so soll er doch eine umwälzende Veränderung anstoßen. Die aufgefundene Schokoleiche, die bald darauf Schlagzeilen macht, treibt Tanja ins direkte Täter-Opfer-Umfeld. Ihre beste Kundin Gisela von Lingental wird von Kopf bis unten mit Schokolade beschmiert und erschlagen aufgefunden. Der Freund Max ihrer Tochter Alina, der sich mit Drogendealen den Konsum harter Drogen finanziert, kommt als mutmaßlicher Mörder in Haft. Der Mord treibt sich in einen Gewissenskonflikt Der Kummer Alinas brennt ihr auf den Nägeln, die damit argumentiert, dass die Polizei Max auf Turkey zu seinem Geständnis gebracht hat. Tanja ignoriert die Stimme der Vernunft und versucht gegen ihren Hauptverdächtigen zu ermitteln, den Finanzberater und Immobilienhändler Konradi, in den sie sich verliebt. Die Ermittlungsarbeit der Polizei im Umfeld des Opfers ist dagegen nur noch Routine.
Petra Scheuermanns Genuss-Krimis leben davon, dass die Autorin hinter das Handeln ihrer Charaktere schaut. Die Autorin hat vier Berufe gelernt. Bevor sie ihr Geld mit dem Schreiben verdiente, arbeitete sie als Erzieherin, Heilpädagogin und Diplom-Sozialarbeiterin. Vor der Konzeption ihrer Krimis schreibt sie Vitas und Tagebuch für ihre Akteure. So gelingt es ihr, psychische Phänomene wie das der Selbsttäuschung im Krimi Schokoleiche aufzugreifen, weil sie weiß, dass Liebe blind macht. Durch ihren früheren Beruf kennt sie solche Mechanismen nur zu gut. Auch auf das Problemthema Drogenkriminalität hat Scheuermann ihre aufgeklärte, forensische Perspektive. Es sei wichtig, Suchtkranken eine Chance zu geben. Ihre Krimis griffen solche Problemthemen auf, sage Scheuermann bei der Lesung aus Schokoleiche im Ebertpark. Die Dialoge hält die Autorin in Alltagssprache und verbindet sie mit der lockeren Kunstsprache der Hauptfigur Tanja, aus deren Perspektive erzählt wird. „Verdammt! Auf einer der Karten sehe ich einen Mann am Boden liegen, durchbohrt von zehn Schwertern. Sicherlich hätte schon eines gereicht, um ihn zu töten. Der Typ ist sowas von mausetot“, heißt es in der Tarot-Szene. Dem psychischen Phänomen, dass Pfleger immer wieder zu Mördern werden, widmet sich Scheuermann in ihrem Krimi „Pflegestufe Mord“.
Scheuermanns Roman ist eine Hommage an die Liebe in Zeiten des Onlinedating und den Finanzhandel. Ihre Gesellschaftskritik moralisiert nicht. Lieber arbeitet sie mit Satire. So überzeichnet sie das Beratungsgespräch des Finanzintermediär und Immobilienhändlers Konradi: „Die Staaten haben allesamt ihre Hausaufgaben nicht gemacht, daher wird die Krise wie ein Bumerang immer wieder zurückkommen. Immobilien sind auch nach der Krise noch was wert. Betongold halt“, sagt der glatte Finanzanalyst im Gespräch mit Tanja: „Ich sage ihnen, der normale Goldpreis fährt immer Achterbahn. Das sagt Ihnen bei Ihrer Bank so offen keiner. Klar, die Bankberater bekommen Provisionen. Ich als privater Finanzexperte kann da ganz anders agieren.“ Durchweg aus der Perspektive des lyrischen Ichs erzählt, genießen Scheuermanns Romane auf dem regionalen Krimimarkt nahezu ein Alleinstellungsmerkmal. Das vierte Band der Schokokrimireihe wird im Frühjahr erscheinen. Ihre Kurzgeschichten und Anthologien wurden mehrfach ausgezeichnet.