Theaterblut, Totenkult, Tumult: Es ist die Nacht, in der die halbe Welt sich nach althergebrachtem Brauch gruselig kostümiert und Kinder sich mit Süßigkeiten vollstopfen. Halloween, lange als amerikanischer Trend abgetan, ist in den 90ern nach Europa gekommen. Auch im Luisenpark steigt eine gigantische Kindergruselparty.
Der fünfjährige Max gibt einen lauten Schrei von sich. „Ein Geist“, versichert er und starrt vom Wegrand in die schwarze Parklandschaft. Auch seine Freundin Sophia will einen Geist gesehen haben. An Halloween wollen die Kinder sich gruseln dürfen. Im Park herrscht ein einziger inszenierter und organisierter Ausnahmezustand. „Die Kinder fürchten sich schon ein bisschen vor mir“, sagt einer der engagierten Schauspieler im Sensemannkostüm. Wenn sein dunkler Gefährte, der Tod mit der Kettensäge, durch die Menschenmengen rennt, bekommen es viele mit der Angst zu tun, manche Kinder fangen an zu weinen. Für die 8jährige Teufelsprinzessin Julia hat die Nacht einen besonderen Zauber. „Halloween ist die einzige Nacht, in der wir Leute erschrecken und an Geistergeschichten glauben dürfen. Ich glaube deshalb schon ein bisschen daran, was man sich so erzählt“, erklärt sie.
Der Geisterglaube zu Halloween hält sich seit dem 9. Jahrhundert, auch wenn er seit der Aufklärung nur noch als Mysterium und Aberglaube gilt und sich auf den heutigen Spaßpartys verulken lässt. Er geht auf Mythen der Kelten im 9. Jahrhundert zurück, die Halloween später als irische Einwanderer nach Amerika brachten. An Samhain, dem Fest der sterbenden Sonne, ging das Jahr zu Ende. Nach keltischem Glauben trafen bei Sonnenuntergang am Atlantik die reale Welt mit der Schattenwelt aufeinander und Hexen, Geister sowie aus dem Himmel verbannte Seelen traten aus dem Jenseits ins Diesseits. Sie wandelten in jener Nacht unter den Lebenden. Die Mischung aus Bräuchen, die sich bis heute auf den Spaßpartys hält, geht auf Zeremonien aus verschiedenen Jahrhunderten zurück, mit denen die Kelten die Geister vertreiben wollten. Meistens gelang ihnen das jedoch nicht vollständig: Die Mächte der Dunkelheit kehrten für einen Winter wieder.
Wie bei allen Gruselpartys zu Halloween leben im Luisenpark die alten Bräuche auf. Schon an Semhain ging man nur verkleidet in die Nacht hinaus, um die Seele vor den Einflüssen der wandelnden Spukgeister zu schützen. Wer nach keltischem Glaube von den unsichtbaren Geistern erkannt wurde, war in Gefahr. Die Spaßparty im Park wird deshalb ein buntes Kostümfest, auf dem Kinder als kleine Hexen, plüschige Drachen, Bettlackengespenster unterwegs sind. Auf dem Marschspielplatz lassen sich die alten Bräuche als Gruselspaß mit Schreckeffekten inszenieren. Wo sonst Kinder im Sand spielen, sind Gräber aufgehäuft. Ein Totengräber unterhält sich mit den Kindern und verteilt Lollis. Überall auf dem Burgspielplatz hängen Skelette und Geisterattrappen. Gestalten in mittelalterlichen Kostümen entzünden Freudenfeuer. Die galten den Kelten als Mittel galten, um wandelnde Geister zu Halloween zu vertreiben. Bei der Höllenfeuershow wird die alte Tradition zum Spektakel, das die Kleinen bestaunen. Zweihundert Kürbisse sorgen für Licht in der schwärzesten Nacht des Jahres, auch die leuchtenden Rüben sollten einst überirdische Kräfte vertreiben. In den Festzelten, die überall im Park aufgeschlagen sind, werden sich die schauerlichsten Märchen der Gebrüder Grimm gegeben, Geschichtenerzähler unterhalten die Kinder. In der Festhalle steigt eine Kostümparty. Auch vor der Halle können Kinder sich mit hässlich kostümierten Gestalten fotografieren lassen. So manches Kindergesicht wirkt neben den schaurig-schönen Fratzen noch niedlicher. Eine weiße Nebelfrau stelzt in durchleuchtetem Kostüm durch die Finsternis. „In Mexiko hat Helloween noch eine größere Bedeutung“, sagt der fünfjährige Patrick, der als Frankenstein unterwegs ist: „Ich freue mich schon die ganze Woche darauf.“ An Spukgeschichten glaube er wie alle Mexikaner schon, sagt er. „Helloween bedeutet für uns, Süßigkeiten zu essen und eine gute Zeit mit unseren Freunden zu haben“, erklärt der 8 Jahre alte Costa. „Wir haben in der Nacht eine Menge Spaß. Die Gespenstergeschichten sind Blödsinn. Wir glauben auch nicht mehr an den Weihnachtmann. In den letzten Jahren sind wir auch schon von Tür zu Tür gezogen und haben Süßigkeiten gesammelt“, sagt sein gleichalteriger Freund Lasse. Selbst das Süßigkeitensammeln hat seinen Ursprung in der Keltenzeit. Damals zogen die Kinder der Ärmsten los, um durch den harten Winter zu kommen. Na dann, einen guten Startschuss in die kalte, dunkle Saison.