Zwei Infotafeln am Fundort der Kastelle informieren über die geschichtliche Deutung der Funde in Rheingönheim
Spaziergänger finden um Rheingönheim herum immer wieder Topfscherben aus der römischen Kaiserzeit. Die Region war weit bis nach 70 nach Christus ein großes Siedlungsgebiet der. Dem Leiter der Landesarchäologie Speyer Ulrich Himmelmann ist die Ausgrabung eines riesigen Militärlagers und Gräberfelds gelungen.
Mit der lateinischen Grußformel „Salve“ begrüßt Bernd Neumann, Vorsitzender des Fördervereins Archäologiepark, die Gäste bei der Fundortbegehung und Einweihung der Info-Tafeln. Am Stadtende in Nähe des Rheinufers stecken die Reste einer befestigten Militäranlage im Boden, die zugleich Legionären und Hilfstruppen des römischen Rheinheeres als Unterkunft diente: Das Kastell Rheingönheim.
Die Bundesregierung setzte 2008 den Bau des Guilini-Deichs um. Dabei wurde das größere Lager zum Zufallsfund. Bisher war nur das kleinere Lager nachgebildet worden. Was im Boden steckte, ließ auf eine weitaus größere Militäranlage schließen. Mit modernster Computersoftware ließen sich die beiden befestigten Anlagen rekonstruieren. Dabei grub man Teile der Reste aus und griff auf Erfahrungswerte über Baupläne von Kastellen zurück, um die Anlage vollständig nachzubilden. Heute ist der Maisacker wieder darüber gewachsen und verbirgt, was im Boden steckt.
Ulrich Himmelmann, der Hauptverantwortliche für die Denkmalerhaltung, sagt Folgendes zur Einordnung in die frühe Römerzeit: Die Römer akzeptierten den Rhein lange Zeit als natürliche Grenze zwischen dem Imperium Romanum und Germanien. Das Kastell Rheingönheim galt von 40 bis 70 nach Christus der Sicherung der Neckarmündung. Nach dem Tod Neros im Jahr 68 nach Christus versuchten 69 vier Kaiser die Macht zu ergreifen. Vitellius Machtansprüche neben denen von Otho sorgten nicht nur für Unruhen in der Rom, sondern auch im Rheingebiet. Die Rheinarmeen, die Vitellius unterstützten, galten in Rom als Aufständische. Als separatistische germanische abtrünnige Hilfstruppen im römischen Dienst wurden sie vermutlich 69 hier überwältigt, das Lager wurde zerstört und abgebrannt. Nachdem Vespasian und seine Söhne den Schwarzwald erobert hatten, um eine direkt Straßenverbindung nach Frankreich zu bauen, lag Rheingönheim nicht länger an der Grenze. Seit dem Bau des Neckar-Odenwald-Limes um 70 nach Christus haben die Kastelle als Militäranlagen ihre Bedeutung verloren.
„Bei der Grabung fand man Reste eines Schatzes“, sagt Himmelmann: „Jemand hat alles, was Wert hatte, unter dem Fußboden verborgen. Beim Angriff kamen die Besitzer nicht mehr dazu es mitzunehmen.“ Stadtmuseumsdirektorin Regina Heilmann, Veranstalterin der Sonderausstellung „Die Römer in LU – Zwei Kastelle, eine Siedlung und ein Gräberfeld“, stellt den Schatz am Fundort aus. „Vor dem Lager entstand eine Zivilsiedlung mit Lagerdorf, Geschäften und Wirtschaften. Die Skelette zeigen Gewalteinwirkung. Für den Brand spricht, dass eine Kellerdecke verbrannt in einen Keller hineingefallen ist. Die Menschen müssen vor dem Abbrennen des Lagers getötet worden sein.“
„Die Germanen haben heute noch Vorteile davon, dass die Römer frech geworden sind“, sagt Ortvorsteher Wilhelm Wißmann: „Die Römer haben die Esskastanien, den Wein und die Mandeln mitgebracht. Die Archäologen fanden auch Getreidevorräte und können darauf schließen, was die Römer gegessen haben. Viele Fragen bleiben bisher noch offen, etwa die, ob die Ureinwohner von Rheingönheim nach dem Abbrennen des Lagers aus dem Siedlungsgebiet verjagt wurden.“