Die Gesellschaft altert und die Zahl an Pflegebedürftigen nimmt zu.
In 15 Jahren fehlen rund 400 000 Pflegekräfte.
Die Bundesregierung definierte im Januar 2017 neu, an was Pflegebedürftigkeit festgemacht wird. Die Einführung von fünf neuen Pflegegraden machte es seitdem 400 000 Hilfsbedürftigen leichter, von Gutachtern des Versorgungsamtes als pflegebedürftig anerkannt zu werden. Viele wurden in einen höheren Pflegegrad eingestuft.
„Nach dem gängigen Pflegeschlüssel erhalten Heime pro Fall und Pflegegrad einen bestimmten Betrag und ein Stundenkontingent. Auf der Grundlage der Stundenkontingente berechnen die Heime dann die Stellenanteile. Weil viele Patienten durch die Reform in höhere Pflegegrade kamen, ergaben sich höhere Stellenanteile für die Heime“, erklärt Frank-Johannes Lemke. Laut dem Bundesgesundheitsministerium konnten durch das Gesetz 10400 neue Stellen allein in den alten Bundesländern geschaffen werden. Dadurch sollten sich die Arbeitsbedingungen für Pfleger verbessern, die enormes leisten müssen.
Für Frank-Johannes Lemke greift die Reform noch zu wenig, um große Veränderungen anzustoßen: „Das Gesetz war kein großer Wurf. Wir bräuchten einen Strukturwandel. Der Personalschlüssel müsste korrigiert werden. Das würde die Situation für die Pfleger und in den Heimen verändern. Die Pflegekräfte wünschen sich mehr Zeit für Gespräche. Auch die Pflegebedürftigen würden sich so aufgehobener fühlen. Ohne grundlegende Änderungen bleibt es für die Pfleger ein einziges Abgehetze. In der Hektik passieren sogar Pflegefehler. Die Leute werden nicht richtig angezogen.“
Manche Pflegedienste halten den Pflegeschlüssel knapp ein und sparen so an Personal, wo es nur geht. Der Arbeitskräftemangel trägt zur knappen Personalbesetzung bei: Ausgeschriebene Stellen bleiben unbesetzt. Die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt zu, der Nachwuchs bleibt aus. Laut Frank-Johannes Lemke hält auch der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) den Daumen auf den öffentlichen Ausgaben für das Personal. Der Verband verhandelt öffentliche Leistungen aus der Pflegekasse stellvertretend für die Kommunal- und Kreisverwaltung mit den Pflegediensten und ihren Trägern. Frank Johannes-Lemke handelt mit dem KVJS seine Personalkosten aus. „Oft bekomme ich die Rückmeldung, dass meine Heime und Einrichtungen zu teuer sind. Es wird gefeilscht wie auf dem Jahrmarkt nach dem Motto: Billig, billig, billig“, sagt Lemke: „Wir können oft durch größtmögliche Transparenz nachweisen, dass wir alles richtig und korrekt nach dem Pflegesatz berechnet haben und uns somit durchsetzen.“
„Natürlich schlagen bei solchen Verhandlungen zwei Herzen in der Brust“, räumt Sozialdezernentin Katja Kreeb vom Landratsamt Enzkreis ein: „Durch die alternde Gesellschaft steuern wir auf eine Kostenexplosion in allen sozialen Bereichen zu, auch im Bereich Rente. Ich frage mich, wer das alles noch bezahlen soll. Wir haben verantwortungsvoll mit den begrenzten Mitteln umzugehen und müssen sie zielgenau einsetzen. Andererseits muss für die anspruchsvollen Pflegeaufgaben auch eine angemessene Entlohnung der Pflegekräfte erfolgen.“ Bei der Schaffung eines ausreichenden finanziellen Spielraums für Träger wie der Caritas, der zumutbare Dienstpläne ermöglicht und das Personal nicht überfordert, sei die Bundespolitik gefragt. Der Landkreis könne hier kaum Einfluss nehmen.
„Dem Gesetzgeber ist es mit der Reform zumindest gelungen, die häusliche Pflege zu stärken, weil auch die ambulanten Dienste jetzt höhere Leistungen und Stellenkontingente erhalten. So kann man in den nächsten Jahren versuchen, einen Teil des wachsenden Pflegebedarfs zu decken“, sagt Frank Johannes Lemke. Die Pflegeform funktioniere, solange die alten Leute in ein familiäres Netz eingebunden sind. „Ansonsten sind die punktuellen Besuche aber zu wenig.“