Auf Spurensuche

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Wie das Buchprogramm aller Regionalverlage steht auch das des Wellhöfer Verlags ganz im Zeichen der Heimatgeschichte und Regionalkultur. Seit 22 Jahren liest Verleger Ulrich Wellhöfer Romane und Sachbücher, die Lokalgeschichte im Blick haben.

Aus den Büchern, die eine kulturgeschichtliche Spurensuche erlauben, zitierte Wellhöfer bei seinem Vortrag im Gemeindehaus Christkönig. Aus denen des Mannheimer Dichters Hanns Glücksteins etwa, der die Pfälzer Hochsprache erhalten und kultivieren wollte. Viele Begriffe, die zur Zeit Glücksteins gang und gäbe waren, gebraucht man heute nicht mehr. „Was heute die Anglizismen sind, waren früher die pfälzisch französischen Ausdrücke unter dem Einfluss des Grenzgebiets“, sagte Wellhöfer. In den schönsten davon mischen sich Pfälzer Dialekt und Französische Hochsprache. Wellhöfer erklärte: „Diffisil, paliere und Mamsellsche haben vor 150 Jahren ebenso zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört wie ´Mon dieu, verschamariert, Hautevollee, Bagage und u’scheniert`. So schön sie sind, mit der Veränderung der Sprache und dem Schwinden der Ausdrücke hat das blumige, eigentümliche an ihr etwas eingebüßt.“

Das pfälzische „Komiso“ war ursprünglich das französische „comme il faut“, was „wie sich’s schickt“ bedeutet. Das erzählte Glücksteins Großneffe Siegfried Laux dem Verleger vor einigen Jahren aus erster Quelle. Die Phrase „Mach ke Fisimatente“, was so viel heißt wie „Mach keinen Blödsinn“, kommt anders als viele glauben vom frühneuhochdeutschen „fisiment“, was Kram, Schund, Abfall bedeutet. Dass man es während der französischen Besatzung beim Besuch deutscher Mädchen gesagt habe, es von „visite ma tente“ käme und danach in den deutschen Sprachgebrauch eingesickert sei, ist ein Ammenmärchen. Wer das Frankophile an der Kurpfalz verstehen will, kann Peter Klimms Grenzgänger lesen, eine Chronik über die verbindenden Geister. „Die die brüllen, haben es oft leichter, gehört zu werden, auch wenn sie entzweien“, sagte Wellhöfer: „Aber gerade während der Kriege ums Elsass und die Pfalz gab es Menschen, die versöhnt haben und Zeichen gegen die Feindschaft gesetzt haben.“

In Hermann Waldecks Chronik ist das Mannheim um 1870 als reine Quadratestadt mit 27 bis 30 000 Einwohnern beschreiben: Nachrichten ließen sich damals vom Ratsdiener mit der Ratsschelle überbringen. Vier Briefträger betreuten vier Dienstviertel und ein Polizeidiener kümmerte sich um die unfolgsame Jugend und sorgte sich um die Reinheit der Kanneln, den breiten Rinnsteinen vor 1900. Ihr Netz, das sich durch alle Quadrate zog, ließ die Stadt im Winter zu einer großen Schlittschuhbahn werden.

Nicht erst seit „Mee-too“ liest Ulrich Wellhöfer die alten Regionalchroniken auch als Zeugen überkommender Vorurteile. Das Pfälzer Sagenbuch etwa dokumentiert den Aberglauben an die Hexerei, der sich über Jahrhunderte hielt und verfestigte. Der Schuss eines Jägers auf eine Gewitterwolke soll einer Hexe, die ein Hexengewitter über Oggersheim heraufbeschworen hatte, das Handwerk gelegt haben. Man erzählte sich lange, dass der Jäger eine nackte Frauengestalt zu Boden habe fallen sehen und das zähe Gewitter über Oggersheim sich direkt danach aufgelöst habe. „Jetzt weiß man, wo das sexistische und frauenverachtende Zeug herkommt“, sagte Wellhöfer. Mit einem Zitat Albert Schweitzers forderte er dazu auf, schnelle Vorurteile abzulegen, ein wahrer Menschenfreund zu sein und in Zeiten wachsenden Populismus mehr Offenheit an den Tag zu legen.

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